Quorum für Volksentscheide abschaffen!

[06/11] Mehr Demokratie fordert, auf Mindestzustimmung zu verzichten

Zum ersten Mal hat in Berlin ein Volksentscheid das 25-Prozent-Quorum überwunden – so die Bilanz des Vereins Mehr Demokratie zum gestrigen Wasser-Volksentscheid. 27 Prozent der Berliner Wahlberechtigten hatten den Forderungen des Volksbegehrens „Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“ an der Urne zugestimmt. Damit war das Quorum, die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzustimmung von 25 Prozent der Wahlberechtigten, knapp überwunden worden. „Das ist zwar ein phänomenales Ergebnis. Darüber darf man jedoch nicht vergessen, dass mehr als die Hälfte der Volksentscheide in Deutschland, für die ein Quorum gilt, daran scheitern – und das, obwohl sie meist eine Ja-Stimmen-Mehrheit erreichen. In Berlin waren die zwei vorherigen Volksentscheide 2008 und 2009 auch ungültig, da sie das Quorum verfehlt hatten“, sagt Michael Efler, Mehr Demokratie-Vorstandssprecher. „Wir fordern deshalb, das Quorum bei Volksentscheiden ganz abzuschaffen und wie bei Wahlen die Mehrheit der abgegebenen Stimmen über Sieg und Niederlage entscheiden zu lassen.“

Quoren bei Volksentscheiden sind nach Ansicht von Mehr Demokratie undemokratisch, da sie zu einer Stimmenthaltung der Gegner einer Vorlage führen. Dies verzerrt das Verhältnis der Ja-Nein-Stimmen und damit das Ergebnis des Volksentscheids. Beim gestrigen Entscheid nahmen fast ausschließlich Befürworter teil, was zu einem Ja-Stimmen-Anteil von 98,2 Prozent führte. „Viele Gegner haben ihre Stimme erst gar nicht abgegeben und den Volksentscheid für überflüssig erklärt. Gerade bei den noch jungen Instrumenten der direkten Demokratie ist es aber wichtig, die Beteiligung zu fördern“, so Efler. „Erst ohne Quorum ist klar, dass zur Abstimmung alle gefragt und gefordert sind, eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Nehmen die Gegner nicht an der öffentlichen Diskussion und an der Abstimmung teil, schadet das unserer demokratischen Kultur.“

In Deutschland gab es bisher 19 Volksentscheide. Für sieben Volksentscheide galt ein 25-Prozent-Zustimmungsquorum. Nur drei dieser sieben Volksentscheide überwanden das Quorum, nur der gestrige Berliner Entscheid schaffte es, ohne zeitgleich mit einer Wahl stattzufinden.

1998 und 2007 scheiterten zwei Volksentscheide für eine Verfassungsänderung in Hamburg am damals gültigen 50-prozentigen Zustimmungsquorum. Damit hat noch nie ein Volksentscheid in Deutschland das 50-Prozent-Quorum für Verfassungsänderungen überwunden, das in den meisten Bundesländern gilt.

In Sachsen, Bayern und Hessen wird für einen Volksentscheid über eine einfache Gesetzesänderung gar kein Quorum angesetzt, in Nordrhein-Westfalen ein Zustimmungsquorum von 15 Prozent der Wahlberechtigten, in Hamburg ein Zustimmungsquorum von 20 Prozent, wenn der Entscheid nicht zusammen mit einer Wahl stattfindet. Das 25-prozentige Zustimmungsquorum bei Gesetzesänderungen ist in Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen Pflicht. In Rheinland-Pfalz gilt ein 25-prozentiges Beteiligungsquorum. Weitaus höher ist das Zustimmungsquorum für Gesetzesänderungen in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern mit 33,3 Prozent der Wahlberechtigten. Das höchste Quorum für Volksentscheide über einfache Gesetze gilt im Saarland. Hier müssen sogar die Hälfte aller Wahlberechtigten zustimmen.

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