Sachsen-Anhalt: Anhörung zur Reform des Kommunalverfassungsgesetzes

+++Mehr Bürgereinfluss in den Städten und Gemeinden +++ Fachverband kritisiert: Bauprojekte bleiben von der Mitbestimmung weiterhin ausgeschlossen +++

In der heutigen (03.05.) Sachverständigenanhörung des Innenausschusses des Landtages von Sachsen-Anhalt kommentiert Oliver Wiedmann vom Fachverband Mehr Demokratie die geplanten Änderungen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden: „Die von der Landesregierung vorgeschlagenen Änderungen für die direkte Demokratie in den Städten und Gemeinden gehen in die richtige Richtung, reichen aber nicht aus, um die kommunale Mitbestimmung substantiell zu stärken.“

Der Verein begrüßt die Streichung des Kostendeckungsvorschlags, der eine hohe Zulässigkeitshürde für Initiativen darstellt und an dem viele Bürgerbegehren in der Vergangenheit scheiterten. Stattdessen soll die Kommunalverwaltung eine Schätzung der Folgekosten eines Bürgerbegehrens vorlegen. „Im Grundsatz ist die von der Landesregierung vorgeschlagene Kostenschätzung eine sinnvolle Regelung, jedoch würde sie in der konkreten Ausgestaltung den Bürgerinitiativen das Leben weiter erschweren“, kritisiert Wiedmann. Ohne eine Verlängerung der Einreichungsfrist für Bürgerbegehren würde den Bürgerinitiativen weniger Zeit für die Unterschriftensammlung bleiben, da sie erst auf die Kostenschätzung der Verwaltung warten müssten.

Positiv bewertet Mehr Demokratie die geplante Senkung der Zustimmungshürde beim Bürgerentscheid: Statt 25 Prozent sollen künftig nur noch 20 Prozent der Stimmberechtigten zustimmen müssen, damit das Abstimmungsergebnis gültig ist. Zudem sollen Vertreter eines Bürgerbegehrens in allen zuständigen Ausschüssen angehört werden.

Der Verein hat jedoch Zweifel daran, dass die geplanten Änderungen die kommunale Mitbestimmung substantiell voranbringen würden. Das größte Hindernis bliebe, dass viele Themen von vorneherein von Bürgerbegehren ausgeschlossen sind. So könnten die Bürger weiterhin nicht in Entscheidungen über Bebauungs- und Flächennutzungspläne eingreifen. „Die Bürger wollen mitbestimmen, wenn Grünflächen in Wohngebiete oder Gewerbeflächen umgewandelt werden. Verbindliche Mitsprache bei der Frage, wie kommunale Flächen genutzt werden sollen, ist in zehn Bundesländer an der Tagesordnung“, sagt Wiedmann.
 
Mehr Demokratie lobt den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE, der an vielen Stellen deutlich weiter geht. Demnach soll das Unterschriftenquorum für Bürgerbegehren auf fünf Prozent und die Zustimmungshürde in großen Kommunen auf zehn Prozent gesenkt werden sowie eine Kompromissmöglichkeit zwischen Gemeinde- und Bürgerbegehrensvertretern eingeführt werden. Aber auch der Entwurf der Linksfraktion lässt eine Ausweitung der zulässigen Themen für Bürgerbegehren vermissen, kritisiert der Verein.
 
Hintergrund:

In Sachsen-Anhalt wurden bisher vergleichsweise wenig kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide durchgeführt. Bis 2017 waren 257 Verfahren zu verzeichnen. Davon wurden allerdings 154 Bürgerentscheide von oben, also den Kommunalvertretungen, eingeleitet. Von den Bürgern selbst eingeleitet wurden lediglich 103 Bürgerbegehren, von denen nur 32 Verfahren im Bürgerentscheid zur Abstimmung kamen.
Sollte es bei der von der Landesregierung vorgeschlagenen Reform bleiben, würde das Land im Volksentscheids-Ranking des Vereins von Platz 13 nur auf Platz 12 vorrücken. Im Volksentscheids-Ranking vergleicht Mehr Demokratie e.V. die Anwendungsfreundlichkeit der Regeln für direktdemokratische Verfahren in den einzelnen Bundesländern. Vorbildlich sind die Verfahren in Thüringen und Bayern ausgestaltet.

Bei Rückfragen: Oliver Wiedmann, 0163-1914207

Stellungnahme von Mehr Demokratie: www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2018-04-26_Stellungnahme_Sachsen-Anhalt.pdf



Gesetzentwurf der Landesregierung:  www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp7/drs/d2509lge.pdf



Gesetzentwurf der Linksfraktion: padoka.landtag.sachsen-anhalt.de/files/drs/wp7/drs/d2527dge.pdf



Aktuelles Volksentscheids-Ranking:  www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/volksentscheids-ranking_2016.pdf


 


 
 


 
Teilen:
nach oben