Thüringen: Bürgerbegehren hinter Panzerglas

[46/08] Mehr Demokratie kritisiert "weltweit einmaligen Unsinn"

Die Initiative "Mehr Demokratie" hat die gestern Abend vom Thüringer Landtag mit den Stimmen der CDU beschlossene Reform der Bürgerentscheid-Regeln im Freistaat als "weltweit einmaligen Unsinn" kritisiert.

 

Im August hatte das aus 19 Organisationen und Parteien bestehende "Bündnis für mehr Demokratie in Thüringen" mehr als 250.000 Unterschriften für ein Volksbegehren zur Stärkung der direkten Demokratie in den Städten und Gemeinden des Landes eingereicht. Noch vor der Beratung des Landtags über dieses Volksbegehrens hat die CDU nun am Mittwoch im Alleingang eine Reform der Gemeindeordnung beschlossen. Diese lehnt sich zwar weitgehend an die bundesweit als vorbildlich geltenden Bürgerentscheid-Regelungen in Bayern an, sie unterscheidet sich von dieser aber in einem wichtigen Punkt: In Zukunft können sich die Wähler nur noch in den Rathäusern in die Unterschriftenlisten eintragen. Bisher war wie in allen anderen Bundesländern in Thüringen die freie Unterschriftensammlung üblich. Die Hürden lagen aber bisher so hoch, dass es in einer Thüringer Gemeinde nur alle 500 Jahre zu einem Bürgerbegehren kommt.

 

Ziel des Volksbegehrens ist deshalb eine Senkung der Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. So soll die Zahl der für ein Bürgerbegehren notwendigen Unterschriften von bisher bis zu 17 Prozent auf sieben Prozent der Stimmberechtigten gesenkt werden. Außerdem sollen in Zukunft auch Bürgerentscheide über den Bau von Rathäusern oder Einkaufszentren möglich sein. Die von der CDU im Landtag nach jahrelanger Reformverweigerung nun im Eilverfahren beschlossene Neuregelung entspricht diesen Forderungen nach Meinung von Mehr Demokratie nur scheinbar. Tatsächlich bleibe die direkte Demokratie mit der CDU-Entscheidung hinter Panzerglas gesperrt. "Schön anzusehen, aber nicht zu gebrauchen", so Ralf-Uwe Beck, Sprecher des Mehr Demokratie-Bündnisses.

 

"Es gibt auf der ganzen Welt kein einziges anderes Land, in dem sich die Bürger zur Unterstützung eines lokalen Bürgerbegehrens in die Rathäuser bemühen müssen", so Beck. "Wer die Bürger für die Unterstützung eines Bürgerbegehrens auf's Amt zwingt, will das Gespräch zwischen den Menschen abwürgen und hat den Sinn der direkten Demokratie nicht begriffen."

 

Mehr Demokratie bedauert, dass die CDU nicht den in der Landesverfassung vorgesehenen Weg geht, ihren Gesetzentwurf im Volksentscheid dem Volksbegehren entgegenzustellen und den Wählern die Entscheidung zu überlassen. Der Verwaltungsrechtler Professor Roland Geitmann von der Fachhochschule Kehl kritisiert das Vorgehen der Christdemokraten ebenfalls. "Ein solches Vorgehen zerstört die politische Kultur und wird das Land in eine Verfassungskrise stürzen - mit gravierenden Auswirkungen für die derzeitige Regierung."

 

Mehr Informationen: <link http: www.thueringen.mehr-demokratie.de>Volksbegehren "Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen"

 

Bei Rückfragen: Ralf-Uwe Beck, 0172-7962982

 

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