Rekordjahr 2007 - Direkte Demokratie boomt

[45/08] Mehr Demokratie legt neuen Volksbegehrensbericht vor

 

Mit 43 laufenden und 27 neuen Volksbegehren und -initiativen war 2007 ein Rekordjahr für die direkte Demokratie in Deutschland. Das ergab der Volksbegehrensbericht 2007, für den der Verein Mehr Demokratie die von den Bürgern eingeleiteten Verfahren auf Landesebene untersucht hat.

 

"Noch nie zuvor hat es in der Bundesrepublik einen derartigen Boom der Bürgerbeteiligung auf Landesebene gegeben", sagt Gerald Häfner, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie. Der bisherige Rekord von 23 Verfahren wurde im Jahr 1997 erreicht - kurze Zeit, nachdem auch die letzten Bundesländer direkte Demokratie auf Landesebene eingeführt hatten. "Dass dieser Wert 2007 noch übertroffen wurde, zeigt das wachsende Bedürfnis der Bürger, auch zwischen den Wahlen in Sachfragen mitzuentscheiden", folgert Häfner.

 

Die rege Nutzung von Volksbegehren und -initiativen ist nach Ansicht von Mehr Demokratie aber auch von der bürgerfreundlichen Ausgestaltung der Verfahren abhängig. "Besonders deutlich wird das in Berlin, wo Volksbegehren seit den Reformen 2005 und 2006 Hochkonjunktur haben", erklärt Häfner. Mit sieben neuen Verfahren 2007 ist das Land Berlin bundesweit Spitzenreiter, gefolgt von Hamburg mit fünf neuen Verfahren.

 

Besonders groß war der Mitsprachebedarf der Bürger im vergangenen Jahr bei den Themen Bildung und Kultur (30 Prozent) sowie Wirtschaft (22 Prozent). Während Schul- und Bildungsthemen im langjährigen Trend liegen, hat sich der Anteil an Wirtschaftsthemen durch die zahlreichen Volksbegehren gegen das Nichtraucherschutzgesetz verdoppelt.

 

Über einen längeren Zeitraum betrachtet bleibt das Bundesland mit den meisten Volksbegehren und -initiativen Bayern, das 1946 als eines der ersten Länder direktdemokratische Verfahren einführte. 39 Volksbegehren und -initiativen wurden im Freistaat seitdem gestartet, 16 davon erreichten die zweite Stufe und fünf kamen zum Volksentscheid. Ob der Freistaat den Spitzenplatz halten kann, ist fraglich, denn in vielen Bundesländern sind Volksbegehren zwar erst seit Mitte der Neunziger möglich, werden aber besonders intensiv genutzt. So wird in Hamburg alle 0,5 Jahre, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern alle 0,7 Jahre ein Volksbegehren eingeleitet, während sich die Bürger in Bayern alle 1,6 Jahre zu Wort melden.

 

Trotz der intensiven Nutzung sieht Mehr Demokratie noch Verbesserungsbedarf, was die Ausgestaltung der Verfahren angeht. Zwei Drittel aller Volksbegehren scheitern bereits in der ersten Stufe an hohen Hürden, kurzen Fristen oder Themenausschlüssen. Von den 55 Verfahren, die es bisher bis zur zweiten Stufe, dem eigentlichen Volksbegehren, schafften, wurden wiederum 60 Prozent durch Unterschriftenhürden zu Fall gebracht. "In nur fünf Bundesländern haben die Anträge der Bevölkerung bisher auch Volksentscheide ausgelöst", so Häfner. "Doch selbst wenn ein Volksbegehren bis zum Volksentscheid kommt und eine Mehrheit erhält, ist der Erfolg nicht garantiert. Besonders ärgerlich ist dabei das Scheitern trotz großer Zustimmung." So reichte beim einzigen Volksentscheid 2007 ein Ja-Stimmen-Anteil von 77 Prozent nicht aus, um dem Volksbegehren "Hamburg stärkt den Volksentscheid" zum Erfolg zu verhelfen - weil es um eine Verfassungsänderung ging, hätten 50 Prozent aller Wahlberechtigten zustimmen müssen.

 

"Solche extrem hohen Hürden sind kontraproduktiv und können Bürgerinnen und Bürger davon abhalten, sich politisch zu engagieren", so Häfner. Mehr Demokratie kämpft deshalb bundesweit für weitere Verbesserungen. "Wer Diskussionskultur und politisches Engagement auch außerhalb von Parteien fördern will, wird am weiteren Ausbau der direkten Demokratie nicht vorbeikommen."

 

Volksbegehrensbericht als PDF: www.mehr-demokratie.de/presse-hintergrund.html

 

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