Neues Volksentscheidsranking: Zehn Bundesländer haben die direkte Demokratie reformiert

[30/16] Große Fortschritte in Baden-Württemberg und Thüringen, Stagnation in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland

Während bundesweite Volksentscheide noch immer heiß diskutiert werden, hat sich die direkte Demokratie in den Bundesländern etabliert und wird langsam aber stetig weiterentwickelt. Das zeigt das Volksentscheidsranking 2016 des Fachverbandes Mehr Demokratie. „Insgesamt werden die Regelungen bürgerfreundlicher. Seit dem letzten Ranking von 2013 haben zehn Bundesländer Volks- und Bürgerbegehren erleichtert“, sagt Ralf-Uwe Beck, Bundesvorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie. Damit liegt die Durchschnittsnote aller Bundesländer erstmals seit Beginn des Ländervergleichs im Jahr 2003 bei „befriedigend“ (3,4).

Ganz vorne im Ländervergleich liegen Bayern und Bremen (beide Note 2,3), gefolgt von Schleswig-Holstein (2,55). „Bayern ist seit Jahren in der Spitzengruppe der Bundesländer und zeigt exemplarisch, dass die direkte und die parlamentarische Demokratie sich gut ergänzen können“, erläutert Beck. 40 Prozent aller Bürgerbegehren und 50 Prozent aller Bürgerentscheide finden im Freistaat statt. Mit 50 angestoßenen Volksbegehren liegt Bayern auch auf Landesebene vorne. Der langjährige Spitzenreiter Hamburg dagegen fällt im aktuellen Ranking auf Platz 4 zurück. „Hamburg ist ein Beispiel dafür, dass gute Regeln allein nicht ausreichen“, erklärt Beck. „Entscheidend für die Bewertung ist auch der Umgang der Regierenden und Gerichte mit der direkten Demokratie.“ In Hamburg könnte das 2015 eingeführte Parlaments-/Regierungs-Referendum, die Volksgesetzgebung durch die Bürger einschränken. Zudem setzte das Hamburger Verfassungsgericht der Weiterentwicklung der direkten Demokratie im Oktober 2016 enge Grenzen.

Im Zeitverlauf seit dem ersten Volksentscheidsranking 2003 haben Baden-Württemberg, Bremen, Thüringen und Berlin die größten Reformsprünge gewagt. Zuletzt rückte Baden-Württemberg nach jahrelangem Ringen um Erleichterungen der direkten Demokratie vom letzten Rankingplatz auf Platz sieben. Thüringen verabschiedete im Herbst 2016 die bisher vorbildlichsten Regelungen für Bürgerbegehren in Deutschland. In Bremen gab es seit 2009 mehrere Reformen sowohl auf der Landes- als auch auf der Gemeindeebene. Berlin rangierte auf Grund umfassender Reformen seit 2006 in der Spitzengruppe der Länder, ist aber mittlerweile zurückgefallen, weil der Senat in mehreren Fällen Volksentscheide erschwert und Bürgerbegehren ausgehebelt hatte. „In vielen Fällen sind es die Bürgerinnen und Bürger selbst, die auf Reformen der direkten Demokratie drängen. Mehr Demokratie hat in vielen Ländern Kampagnen, Aktionen und Politikergespräche initiiert und damit den Ausbau von Bürger- und Volksbegehren vorangetrieben“, erklärt Beck.

„Dort, wo Reformen stattfinden, wird die direkte Demokratie auch intensiver genutzt. In den letzten Jahren haben viele Landesregierungen gezeigt, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern mehr zutrauen als alle paar Jahre zu wählen“, fasst Beck zusammen. Bundesländer, in denen Reformen nur sehr zögerlich angegangen werden, wie Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, rücken dadurch im Volksentscheidsranking immer weiter nach hinten (beide auf Platz 14-15). Auf dem letzten Platz liegt das Saarland, dessen restriktive Regelungen sich auch auf die Praxis auswirken: Während in Bayern 2.727 Initiativen auf der Kommunalebene starteten, erlebte das Saarland erst 16 Bürgerbegehren.

„Das beste Mittel, die Angst vor der direkten Demokratie abzubauen ist, sie einfach anzuwenden“, sagt Beck. „Es ist nicht verwunderlich, dass aus Bayern, dem Land mit der intensivsten direktdemokratischen Praxis, nun auch ein Anstoß zur Einführung bundesweiter Volksabstimmungen kommt.“ In einer Mitgliederbefragung der CSU haben sich kürzlich 68,8 Prozent der Abstimmenden für bundesweite Volksabstimmungen ausgesprochen. Das Votum soll nun ins CSU-Grundsatzprogramm einfließen und dürfte im Wahlkampf für Kontroversen mit der CDU sorgen, die als einzige etablierte Partei bundesweite Volksentscheide ablehnt.

+++ Hintergrund zum Volksentscheidsranking: +++

Mehr Demokratie vergleicht und bewertet seit 2003 die Regelungen der direkten Demokratie auf Kommunal- und Landesebene in allen Bundesländern nach einem wissenschaftlichen Verfahren. Zu Grunde liegt ein optimales Design der direkten Demokratie, das sich an bereits etablierten Regelungen wie etwa in den Schweizer Kantonen sowie am Ideal einer bürgerfreundlichen Demokratie orientiert und außerdem den praktischen Umgang mit Bürger- und Volksbegehren im jeweiligen Bundesland mit einbezieht. Das Volksentscheidsranking 2016 ist der fünfte Ländervergleich.

Volksentscheidsranking 2016: <link file:19663>

www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/volksentscheids-ranking_2016.pdf

Zahlen, Daten, Fakten zum Ranking (4 Seiten): <link>

www.mehr-demokratie.de/presse-hintergrund.html

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