Rechtsgutachten: Das „Nein“ eines Mitgliedstaates könnte CETA stoppen

[24/16] EU-Kommission kann CETA nicht einfach zum reinen EU-Abkommen erklären

+ Eine qualifizierte Mehrheit genügt nicht: Mitgliedstaaten müssen einstimmig über Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von CETA entscheiden.

+ Die EU kann den Abschluss von CETA nicht einfach an sich ziehen: Wenn CETA nachträglich als reines EU-Abkommen definiert wird, muss nachverhandelt werden.

Die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA) muss von allen EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden – eine qualifizierte Mehrheit reicht nicht aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein von Mehr Demokratie, Greenpeace, Foodwatch und Campact in Auftrag gegebenes Gutachten des Staats- und Völkerrechtlers Bernhard Kempen (Universität Köln). Demnach würde, anders als kürzlich von der österreichischen Regierung vertreten, das „Nein“ eines Mitgliedstaates genügen, um zu verhindern, dass CETA vorläufig angewendet beziehungsweise unterzeichnet werden kann.

„Nach unserer Rechtsauffassung kann sich keine Regierung damit herausreden, dass ihre Ablehnung von CETA ohnehin kein Gewicht hätte“, sagt Roman Huber, geschäftsführender Bundesvorstand des Vereins Mehr Demokratie, der das Gutachten initiiert hatte. Gutachter Kempen erläutert: „Den aktuellen Vorschlag der Kommission, CETA als ein gemischtes Abkommen zu unterzeichnen und vollständig vorläufig anzuwenden, kann der Rat nur einstimmig annehmen. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Kommission vorschlägt, bestimmte Teile von CETA aus der vorläufigen Anwendung herauszunehmen.“

Die Frage, ob das „Nein“ eines Landes CETA als Ganzes verhindern kann, ist derzeit vor allem mit Blick auf die Niederlande interessant: Dort organisiert ein zivilgesellschaftliches Bündnis ein Referendum, in dem die Bevölkerung über die Ratifikation von CETA durch die Niederlande abstimmen könnte.

In Deutschland könnte unter anderem das Bundesverfassungsgericht die Regierung dazu auffordern, „Nein“ zur vorläufigen Anwendung und zu bestimmten Inhalten von CETA zu sagen. In der nächsten Woche (12./13. Oktober) wird in Karlsruhe darüber verhandelt, ob und wieweit die vorläufige Anwendung von CETA mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach dieser Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz wird sich das Verfassungsgericht aller Wahrscheinlichkeit nach im Hauptsacheverfahren noch stärker inhaltlich mit CETA befassen.

In Bayern, Schleswig-Holstein und NRW laufen Volksinitiativen und Volksbegehren mit dem Ziel, diese Bundesländer im Bundesrat zur Ablehnung von CETA zu bewegen. Stimmt der Bundesrat nicht zu, kann das gesamte Abkommen nicht in Kraft treten.

+++ Hintergrund: Wer ist zuständig für CETA? +++

Momentan behandelt die EU-Kommission CETA als gemischtes Abkommen. Sie bezieht die Mitgliedstaaten aus politischen Erwägungen heraus ein, obwohl sie nach eigenen Aussagen juristisch anderer Auffassung ist und CETA für ein reines EU-Abkommen hält. „Die Kommission behält sich in einem Zustand rechtlicher Unsicherheit vor, den Ratifikationsprozess, der derzeit auf die Mitwirkung aller EU-Mitgliedstaaten angelegt ist, so abzuändern, dass die alleinige Entscheidung des Rates ausreicht“, erläutert Kempen. Er kommt zum Ergebnis, dass der Ratifikationsprozess gestoppt werden muss, sobald die Kommission CETA doch als reines EU-Abkommen behandeln will. Dies könnte sich nach der Überprüfung des Europäischen Gerichtshofes zum EU-Singapur-Abkommen ergeben. „Auf Vorschlag der Kommission müsste der Rat die bereits gefassten Ratsbeschlüsse zu CETA aufheben und der Kommission ein Mandat zu Nachverhandlungen erteilen“, so Kempen.

 

+++ Rechtsgutachten über die Mehrheitserfordernisse im Rat der Europäischen Union bei der Abstimmung über CETA: <link>

www.mehr-demokratie.de/presse-hintergrund.html

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